Haltungen
jeder soziale Kontakt löst in uns emotiononale und mentale Impulse aus, die uns sagen welche Konstellationen zu dieser Person bestehen, wie die bisherigen Kontakte zu dieser Person gelaufen sind, wie unser Einfluss auf die Beziehung wirksam ist und vieles mehr. Diese Informationen werden auf emotionaler Ebene verarbeitet und bestimmen, welche Haltung wir zu der Person einnehmen. Diese Haltungen sind sozusagen Vorab-Einstellungen auf emotionaler Ebene. Die bekanntesten davon sind
Vertrauen
Als Babys erleben wir Vertrauen als selbstverständlich. Wir gehen einfach davon aus, dass wir versorgt werden, und lernen, das Erlebte als Normal zu definieren. Die Vollkommenheit des Vertrauens eines Kindes in seine Bezugsperson erreichen wir im Erwachsenenleben nur selten.
Vertrauen in eine Person ist die Überzeugung, dass die Person in meinem Sinne handeln wird, bezieht sich also auf die Zukunft. Vertrauen könnte auch als Fehlen von Angst in Bezug auf eine Person beschrieben werden. Nur angenehme Erfahrungen lassen auf viele gemeinsame Werte schließen. Vertrauen wird portionsweise nach Themen verteilt und erst mit der Zeit gefestigt. Oft wird mit Zugehörigkeit zu Gruppen ein sogenanntes Vorschussvertrauen gewährt in der Annahme, dass die Person die Regeln der Gruppe einhält.
Vertrauen ist der Grundkleber aller sozialen Verbände. Es stellt unsere Urhaltung dar, das heisst, wir wollen vertrauen. Dagegen stehen alle Arten der Angst oder Wut, also Bezüge zu Schmerz.
Skepsis
Wenn wir etwas emotional anders wahrnehmen, als wir es rational wahrnehmen, befällt uns ein Unbehagen, das wir Skepsis nennen. Wir behalten uns sozusagen vor, das gewährte Vertrauen zurückzuziehen, oder behalten es gleich ein, weil wir etwas unangenehmes erwarten, wenn auch nicht genau klar ist, was. (Sonst wäre es Ablehnung) Skepsis ist etwas irrationales, dass aus unserem Erfahrungsschatz hervorgeht, daher wird Skepsis oft als Zeichen von Lebenserfahrung, hohen Ansprüchen und klaren Maßstäben gewertet. Gleichzeitig muss aber keine dieser Eigenschaften vorhanden sein, um jeglichen inneren Widerstand als Skepsis darzustellen.
Verletztheit
die Erfahrung von Schmerz verändert uns tiefgreifend. In früheren Zeiten haben Erziehungsmodelle, die hauptsächlich auf Züchtigung basierten, ganze Generationen von Menschen traumatisiert und damit gesellschaftliche Realitäten geschaffen, die heute noch wirksam sind, auch wenn Erziehung jetzt anders gedacht wird. Traumatisierende (physische oder verbale oder mentale) Gewalt ist Bestandteil unserer gesellschaftlichen Welt, die meisten Menschen haben Erfahrungen mir ihr gemacht. Während wir bei einer einfachen Verletzung wie einem aufgeschlagenen Knie schnell das richtige Verhalten finden, um der Situation zu begegnen, finden wir oft in Situationen, in denen wir Gewalt ausgesetzt sind, keine passenden Rezepte in unserem Erfahrungsschatz. Das Erlebte wird so zum Präzedenzfall, der sich im ungünstigen Fall, dass kein anderer Umgang gefunden werden kann, reproduziert. Fatal sind zB hier die Scham, als hilfebedürftiges Idividuum schwach zu wirken, oder die Angst, noch mehr Peiniger zu aktivieren, statt Hilfe zu erhalten. Jedes Individuum jeder Gemeinschaft trägt daher Mitverantwortung, den Umgang in der Gemeinschaft möglichst gewaltfrei und achtsam zu gestalten, damit verdeckt ablaufende Gewalt benannt und gebannt werden kann.
Achtsamkeit
Weniger im Gebrauch als der Begriff der Achtlosigkeit, die wir leicht erkennen, steht der Begriff Achtsamkeit für eine respektvolle, rücksichtsvolle Neugier, die uns sagt, etwas könnte unsere Aufmerksamkeit erfordern, und die ihrem Objekt die angemessene Achtung entgegenzubringen wünscht. Dingen, Situationen oder Wesen achtsam zu begegnen, heisst, alles zu beachten, was meine Aufmerksamkeit erfassen kann, um ein möglichst reiches Bild zu erhalten und das angemessenste Verhalten zu erkennen. Achtsamkeit ist die Voraussetzung für Empathie.
Akzeptanz
Akzeptanz findet auf verschiedenen Ebenen statt und stellt den Grad an Gemeinsamkeit dar. Ich kann (theoretisch) eine Person mit allen Eigenschaften uneingeschänkt akzeptieren, wie zB eine Mutter ihr kleines Kind oder das kleine Kind die Mutter. Ich kann auch nur bestimmte Aspekte einer Persönlichkeit akzeptieren und andere ablehnen, zB aufgrund weltanschaulicher oder persönlicher Differenzen, oder eine Persönlichkeit und ihre Handlungsweise rundherum ablehnen, aber trotzdem akzeptieren, dass sie Teil meiner Gemeinschaft ist und auch ihre Berechtigung hat. Der Grad an gegenseitiger Akzeptanz bestimmt das gemeinsame Feld, in dem kommuniziert werden kann.
Toleranz
Ich toleriere etwas, das ich NICHT gut finde, sonst wäre es Akzeptanz. Toleranz bedeutet, zu akzeptieren, dass andere anders ticken und ich nicht alle verstehen muss, und zu erkennen dass Zusammenleben immer von Reibung begleitet ist, die bis zu einem gewissen Grade ausgehalten werden muss, wenn eine Gemeinschaft funktionieren soll. Klassische Beispiele wären laute Nachbarn oder Kollegen mit nervigen Angewohnheiten. Das Ausmaß von Toleranz und damit die Grenze, ab wann doch Auseinandersetzung nötig wird, sind individuell und auch zeitlich verschieden. So kann die Tolerantz eines Mitbewohners drastisch abnehmen durch externe Stressfaktoren, die mit meinem (zB) Lärm nichts zu tun haben. Toleranz ist also eine freiwillige Leistung, auf die kein Anspruch besteht. Gleichwohl ist sie eine der bedeutendsten Sozialkompetenzen. Toleranz ist immer auch ein Gradmesser für persönliches Wohlbefinden, Ausgeglichenheit und soziale Integration.
Anspruch
Ansprüche definieren unseren Umgang mit anderen und dadurch die Art und Menge unserer Kontakte. Hohe Ansprüche können eine Bealstung sein, aber Ansprüche definieren auch, worauf wir Wert legen und damit, in welcher Art von Gemeinschaft wir leben wollen. Somit sind Ansprüche ein entscheidendes Gestaltungselement bei der Erstellung sozialer Strukturen.
An eine Person einen konkreten Anspruch zu richten, kann fördernd sein oder auch die Akzeptanz der Person an Bedingungen knüpfen, je nachdem welche Bedingungen und möglichen Konsequenzen die Situation beeinhaltet.
Ablehnung
widerspricht eine Handlungsweise oder Einstellung unseren Vorstellungen vom Zusammenleben, so bringen wir Ablehnung zum Ausdruck. Sie kann sich auf Aussagen, Handlungen, Einstellungen oder ganze Persönlichkeiten oder Organisationen beziehen. Durch Ablehnung ziehen wir die Grenze, wo unsere Akzeptanz endet.
Reue
Da wir nicht perfekt sind, tun wir manchmal Dinge, die wir später schlecht vertreten können, weil wir eine andere Perspektive auf unser Handeln und seine Auswirkungen haben als zum Zeitpunkt der Handlung. Die auftretende negative, gegen uns selbst gerichtete Emotion nennen wir Reue oder schlechtes Gewissen. Sie kann ein starker Antrieb sein, verlorene Verbundenheit wieder herzustellen, aber auch von Scham begleitet sein, die ein Kommunizieren erschwert und damit Verbundenheit einschränkt.
Scham
Scham ist, etwas verstecken zu wollen. Durch natürliche Scham schützen wir unsere innersten Bereiche. Sie kann aber auf alles projiziert werden, was Teil von uns ist. Daher kann Scham toxisch werden, wenn sie uns daran hindert, uns mit einem Problem zu offenbaren und zurück zur Verbundenheit zu finden, ein Mechanismus, der den Kampf gegen Sucht und Missbrauch erschwert. Der Begriff der Schande zeigt die Art, wie diese Emotion zur Machtsicherung missbraucht wurde.
Integration
Jede Gemeinschaft hat die Fähigkeit, neue Mitglieder aufzunehmen und in ihre Werte und Rituale einzuführen. Oft ist damit ein bekanntes procedere verbunden, die Aufnahmezeremonie, in der wichtige Werte und Aspekte der Gemeinschaft rituell zum Ausdruck gebracht werden. In hierarchischen Gemeinschaften kommt dabei der Einordnung des neuen Elements in das bestehende Ranking besondere Aufmerksamkeit zu, während in einer diversen Gemeinschaft die größere Neugier auf die Einzigartigkeit des Einzelnen und auf die gegenseitige Ergänzung überwiegt.
Strategie
Wenn wir nicht sagen wollen, was wir denken, übernimmt die mentale Ebene die Kommunikationsplanung und wählt Äußerungen und Handlungen nicht mehr nach Impuls, sondern nach möglichen Konsequenzen aus. Strategisches Denken entsteht in Situationen, in denen eine Offenbarung des eigenen Empfindens unmöglich oder nicht ratsam ist, die also vom Individuum als Krieg (Angriff/Verteidigung) erlebt werden. Damit stellen soziales Denken, also der Versuch, andere zu verstehen und zu integrieren, und strategisches Denken, die Verteidigung der eigenen Position, zwei verschiedene Ausrichtungen unserer Denkmuster dar, die einander entgegengesetzt arbeiten, sich aber dennoch mischen können. So kann ich zum Beispiel die Wochenendstory meines Chefs mit den erwarteten Bestätigungen kommentieren(=soziale Kommunikation), und mir dabei doch genau überlegen, was ich sage(=strategische Kommunikation).
Abhängigkeit
Wenn wir auf etwas nicht verzichten können oder wollen, so richten wir unser Verhalten auf den Erhalt oder die Wieder-Erlangung dieses Etwas' aus. Von Natur aus sind wir abhängig von Luft, Wasser, Nahrung, geeignetem Lebensraum und Unterstützung durch eine Gemeinschaft sowie anderen Dingen. In dem komplexen Geflecht des Bewusstseins sind Abhängigkeiten also etwas Normales.
Wir können uns abhängig machen von Stoffen, Personen, Gemeinschaften, Situationen oder allem, was Gefühle auslöst.
Abhängigkeit in Form von schwerer Sucht kann eine Persönlichkeit zersetzen, Ausweg bietet nur die Auseinandersetzung mit den zugrundliegenden Emotionen.
Abhängigkeit in Form von Ausbeutung kann Landstriche verarmen und Ökosysteme vernichten. Ausweg bietet nur massenhafte Solidarität.
Ausgrenzung
Wenn wir etwas ablehnen, dass wir nicht kennen, so zeigt das, dass wir das Unbekannte als potentiell bedrohlich einstufen. Welche Angst sich gegen dieses Unbekannte richtet, lässt sich daran erkennen, was durch die Ablehnung verteidigt werden soll. Gelingt es, die Angst zu überwinden, ist Akzeptanz möglich. Die Ablehnung kann aber auch anstecken und sich verbreiten, wenn Angst vor dem Unbekannten, Unwissenheit und Unzufriedenheit weit verbreitet sind.
Hass
Wenn Wut, die Erinnerung an (Schmerz im weitesten Sinne) altert, verändert sie sich wie jede Erinnerung bei jedem Abruf. Jedes Mal können wir "in Gedanken" entscheiden, ob wir die Verständigung suchen, um die Wut loszuwerden oder ob wir uns weiter abgrenzen und versuchen, uns mit unserer Wut durchzusetzen. Bestätigen wir die Wut und suchen und finden immer neue Gründe für neue Wut, so verfestigt sich die (eher persönliche) Abneigung zu einer (eher prinzipiellen) Ablehnung, die dem Ziel der Wut die Akzeptanz in allen Bereichen entzieht und dadurch Konventionen außer Kraft setzt, zB durch Absprechen von Rechten. Ist das dann Hass? Ich will diesen Begriff nicht ergründen.
Fatalismus
Wenn wir wenig oder nichts zu verlieren haben, werden wir risikofreudiger und rücksichtsloser. Dies eröffnet uns Optionen, die wir normalerweise ausschließen würden und die oft einen hohen Preis fordern.
Resignation
Wenn wir keine sinnvolle Handlungsoption sehen, sinkt unsere Motivation bis zu einem einem Zustand der Gleichgültigkeit. Wir finden uns damit ab, dass wir etwas nicht ändern können und werden passiv. Mögliche Auswege liegen in der Prüfung von Perspektiven, Ansprüchen und Prioritäten, um das Spektrum der Optionen zu erweitern.
Ich ziehe folgende Schlüsse:
- die Haltungen, die wir einnehmen, können die unsere Konstellationen verändern oder bestätigen, dadurch beeinflussen wir unsere Positionen in unserem sozialen Netzwerk.